Eindrücke von meinen Besuchen bei Poljot
Es war bei meinem Besuch in Moskau im Jahre 2021, als ich eine Einladung bekam, „Poljot“ zu besuchen. Über diese Einladung war ich erstaunt, denn ich glaubte, dass es die Uhren-Fabrik „Poljot“ seit vielen Jahren nicht mehr gebe.
Also sind mein Freund und Gastgeber Alexander und ich in die „Marksistkaya Strasse 34“ gefahren.
Alexej Tkaschenko, der Direktor für Entwicklungen, hat und empfangen und uns mit Larisa Mihaylovna Martynova, der Direktorin der „Uhren-Manufaktur 6 MX“, in ihrem Büro bekannt gemacht.
Ich hatte einige meiner Bücher als Gastgeschenk mitgebracht.
Und dann erfuhr ich zu meinem Erstaunen, dass das Marine-Chronometer „6 МХ“ / „МОРСКОЙ ХРОНОМЕТР“ und die Beobachtungs-Uhr „ЧП“ / „ЧАСЫ ПАЛУБНЫЕ“ heute noch in der „Uhren-Manufaktur 6 MX“ gebaut werden.
Das war neu für mich und ich bitte alle Uhrenfreunde und insbesondere Larissa und Alexej um Entschuldigung, weil ich mehrfach geschrieben habe, dass die Produktion des „6 MX“ und der „ЧП“ Mitte der 1990er Jahre eingestellt worden sei, weil kein Bedarf mehr bestehe und es noch viele Lagerbestände gebe.
Ich hatte in Vorträgen in Publikationen gesagt und geschrieben, dass das russische Marine-Chronometer „6 MX“ seit den 1950er Jahren in der militärischen „Abteilung 13“, abgeriegelt von den zivilen Abteilungen, produziert worden sei.
Eine meiner ersten Fragen war, ob das stimme.
Daraufhin antwortete mir Larissa mit einem Lächeln:
Ja. Das stimmt und ich bin seit 1984 Chefin dieser Abteilung.
Bei einem Rundgang durch die Manufaktur konnte ich die Arbeiten an den beiden Spezial-Uhren für die Schifffahrt besichtigen.
Als Gastgeschenk haben mir Larissa und Alexej eine Armband-Uhr mit der Signatur der Uhren-Manufaktur 6 MX geschenkt. Diese Uhr war mein Begleiter auf meinen Fahrten nach Russland, wie man auf dem nächsten Bild sehen kann (obere Reihe, Mitte):
B ei meinem nächsten Besuch habe der Manufaktur eine russische Beobachtungs-Uhr aus den frühen 1950er Jahre mitgebracht. Sie hat die Serien-Nummer „N-933“ und stammt aus dem 4. Quartal 1953 (4-53). Diese Uhr entspricht noch dem Aufbau, wie er von Ulysse-Nardin in den 1940er Jahren entwickelt und von Poljot in Lizenz nachgebaut wurde.
Als „Dankeschön“ haben mir Larissa und Alexej eine besondere Armband-Uhr mit Widmung geschenkt. Ich trage sie nur zu besonderen Anlässe.
Ich habe Larissa bei unserem ersten Treffen gefragt, warum die Jahreszahl „1947“ auf ihrem Logo stehe, denn das „klassische“ 6 MX aus rein russischer Produktion gebe es erst seit 1953.
Larissa hatte auf meine Frage geantwortet: „Die Fabrik glaubt, dass seit 1947 mit der Produktion von Marine-Chronometern aus sowjetischen Teilen begonnen wurde“
Auch wenn es keine Belege für diese Tatsache gebe, spreche das „Fabrikgedächtnis“ und „Zeugnisse von Zeitzeugen“ für das Datum 1947 als Beginn der sowjetischen Produktion von Chronometern.
Daraufhin habe ich über die Anfänge aus den Jahren 1946/47 erzählt und versprochen, der Manufaktur ein Chronometer aus dem Jahre 1947 zu schenken. Dieses Chronometer mit der Serien-Nummer „422“ ist dann mit Hilfe des Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur und der Russischen Botschaft in Berlin in 2023 in Moskau angekommen.
Das Chronometer-Rohwerk des „422“ ist aus deutscher Produktion. Es ist ein Chronometer, das „НИИ Часром“, das „Wissenschaftliche Forschungsinstitut für die Uhren-Industrie“, vollendet hat. Es enthält erste Elemente aus russischer Produktion und trägt das Logo der „1. Moskauer Uhren-Fabrik“, die später in „Poljot“ umbenannt wurde.
Eine Besonderheit des „Kirow 422“ ist der Überkasten. Er stammt noch von Ulysse-Nardin aus den 1940er Jahren. 1941 hatte Ulysse-Nardin etwa 400 Marine-Chronometer an die Sowjetunion geliefert. Sie hatte alle die Signatur der „1. Staatliche Uhren Fabrik“. Die ist ein Typischer Kasten aus Le Locle in der Schweiz – wenn auch mit der Signatur der „1. Moskauer Uhren-Fabrik“
Jedes Mal, wenn ich im Moskau bin, ist es mir eine Herzensangelegenheit, das Lächeln von Larissa wiederzusehen und Alexej begrüßen zu dürfen.