Altmeppen russische Uhren

Die Anfänge der industriellen Uhrenproduktion in Russland

 

Altmeppen russische Uhren - Plakat

 

Johannes Altmeppen

Die Anfänge der industriellen Uhrenproduktion in Russland

 Skizzen zur Geschichte der Zeitmessung in Russland

 Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur

 

 

Sehr geehrter Herr Izvolskiy,
Meine Damen und Herren

Die Geschichte der Uhren in Russland beginnt Lazar, einem Mönch aus dem Kloster Athos. Er hat im Jahr 1404 eine Turmuhr für den Kreml-Palast des Wassilij I., Großfürst von Wladimir und Moskau, gebaut (Bild 1).

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 1 Lazar-Uhr
Abb. 1 _ Lazar-Uhr

 

Für die folgenden 450 Jahre zählt Russland zu den großen Uhrmacher-Nationen. In seinem Buch: „Watchmakers and Clockmakers in Russia 1400 to 1850“ stellt Valentin L. Chenakal 620 russische Uhrmacher vor.

In den letzten mehr als 300 Jahren hat es mehrere Ansätze für eine industrielle Produktion gegeben. Sie sind gescheitert.

Aber, der Reihe nach:
Die junge Sowjetunion war auf Importe von Uhren und Uhren-Teile angewiesen. Die „Uhr für Jedermann“ gab es in Russland nicht. Der einfache Mensch auf dem Lande hatte die Sonne als Zeitmaß und die Turmuhr an seiner Kirche.

Im Jahre 1922 wurde mit „АВИАПРИБОР“ / „Aviapribor“ die Produktion von Uhren zusammengefasst – wenn auch nur in handwerklichem Maßstab. Innerhalb von zwei Jahren wurden hier 20.700 Wanduhren und 37.300 Wecker aus importierten Teilen produziert. Und im Geschäftsjahr 1925/26 waren es schon 150.000 Wanduhren und 350.000 Wecker. Für die Produktion von Weckern, die erforderlich waren, damit die Fabrikarbeiter pünktlich ihre Schicht beginnen konnten, lieferte die Firma „Junghans“ aus dem Schwarzwald die Werke und Einzelteile. Das war eine der Wirtschaftskooperationen nach dem „Rapallo-Pakt“ von 1922.

Die Situation änderte sich erst mit der „Entscheidung des Sowjets für Arbeit und Verteidigung über die Organisation der Uhrenproduktion in der UdSSR“ vom 20. Dezember 1927 (Bild 2).

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 2 1. Staatliche Poster Beschluss vom 20.12.1927
Abb. 2 _ 1. Staatliche, Poster, Beschluss vom 20.12.1927

 

Im Sommer 1928 findet sich in der „Deutschen Uhrmacher-Zeitung“ dazu eine Notiz:
„Der Oberste Volkswirtschaftsrat der Sowjetunion hat für nötig befunden, in Moskau eine neue Uhrenfabrik zu bauen, deren Jahresproduktion für den Anfang auf 1,5 Millionen Wanduhren, 400.000 Weckuhren, 45.000 elektrische Uhren, 25.000 Regulieruhren usw. veranschlagt wird. Daneben soll die Fabrik als erste in der Sowjetunion auch Taschenuhren – zunächst etwa 1.000.000 im Jahr erzeugen.“ (DUZ, 30.06.1928, S. 484)

Im Oktober 1928 reiste eine Kommission von Experten unter Leitung von Andreij Bodrow, dem technischen Direktor des „Trust für Feinmechanik“, in einige Länder Westeuropas, um komplette Fabrikationseinrichtungen für eine eigenständige sowjetische Uhrenindustrie zu kaufen.

Die betroffenen Länder hatten aber kein Interesse, den Absatzmarkt Russland zu verlieren. Und so scheiterte die Mission von Bodrow.

Im Juli 1929 ist Andreij Bodrow in den USA erfolgreich und kauft die Einrichtungen von zwei Uhrenfabriken: „Dueber-Hampden“ und „Ansonia“ und er kaufte eine große Menge von Rohwerken und Einzelteilen der sogenannte „Dollar-Uhren“ vom Typ „Tip Top“ von der Firma „New Haven“ (Bild 3).

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 3 _ Tip Top New Haven
Abb. 3 _ Tip Top New Haven

 

„New Haven“  Tip-Top

Die „$-Uhren“ wurden in den USA für einen Dollar in Kaufhäusern und Drugstores für ein bis drei Dollar verkauft. Sie waren so schlicht gebaut, dass eine Reparatur ich nicht lohnte.
Kaputte Uhren wurden in Zahlung genommen und der Kunde erhielt bei deutlichem Preisnachlass eine neue Uhr.
Die „$-Uhren“ sollten auch in der Sowjetunion zu niedrigen Preisen produziert und verkauft werden.

Das Experiment ist gescheitert, weil „New Haven“ keine Produktionseinrichtungen an die Russen verkauft hat und weil es in Russland keine Vertriebsstrukturen wie den USA gab. Die ständigen Beschwerden führten dazu, dass die russische „Tip Top“ bereits 1930 aus dem Handel genommen wurde.

 

Час 2 ЗД“ und „Ansonia“  /  Wecker und andere Groß-Uhren

Altmeppen russische Uhren - Abb. 4 Час 2 З-Д Wecker
Abb. 4 _ Час 2 З-Д: Wecker, +

 

Die Fabrikeinrichtungen der „Ansonia Watch Co“ sind im ersten Quartal 1930 aus Connecticut auf dem Seewege in Murmansk angekommen. Drei Monate später erreichten die Kisten mit den Geräten Moskau.
Mit der kompletten amerikanischen Fabrikausstattung zur Herstellung von Groß-Uhren sollte die Produktion des Moskauer „Elektro-Mechanischen Betriebs“ / „МЭМЗ“ auf eine industrielle Grundlage gestellt werden.
„МЭМЗ“ ist am 29. November 1924 gegründet worden und am 5. November 1930 umbenannt worden in: „2. Staatliche Uhren-Fabrik“ / „ЧАС 2 З-Д“

In der „2. Staatliche Uhren-Fabrik“ wurden bis 1935 nur Wanduhren mit Gewichtsantrieb, Wecker und elektrische Uhren gebaut.
Auf diese Uhren-Typen gehe ich nicht näher ein – zumal die russische Fabrik mit ihren metrischen Maßen in den ersten Jahren erhebliche Probleme mit den Einrichtungen aus Connecticut mit ihren Zoll-Maßen hatte.
Im Ergebnis wurde der deutsche Wecker von Junghans nachgebaut und nicht der „Pirat“ von Ansonia.

 

„Dueber-Hampden“  „1 ТИП/ „Kirowka“

Das Uhrwerk mit der sowjetischen Bezeichnung „1 ТИП“ ist eine Legende. Es wurde von der „Hampden Watch Co.“ in Canton, Ohio, im Jahre 1912 als „16 Size / Model 5“ (Bild 5) erstmals hergestellt und bis zum Ende der Sowjetunion noch in Slatoust gebaut.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 5 Special Railway
Abb. 5 _ Special Railway

 

Im Frühjahr war die Ausrüstung für die Produktion von etwa 200.000 Stück Taschen- und Armbanduhren aus Ohio in Moskau angekommen. Dazu gehörten auch die für den Anfang der Produktion erforderlichen Rohmaterialien, Halbfertigteile und konstruktive und technische Unterlagen, die zur Herstellung der einzelnen Komponenten gebraucht wurden.

27 Uhrenfachleute von Dueber-Hampden waren mit den Geräten nach Moskau gekommen, um die Ausrüstung zu montieren und in Gang zu setzen. Und am 8. August 1930 reisten 12 Facharbeiter aus Glashütte mit einem 5-Jahres-Vertrag nach Moskau, um dort beim Aufbau der Uhrenindustrie zu helfen. Die „1. Staatliche Uhren-Fabrik“ hat die ersten 50 „1 ТИП“ (Bild 6) am 7. November 1930 ausgeliefert. Sie hatten ein silbernes Gehäuse.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 6 TYP 1 1. Staatliche Uhrenfabrik
Abb. 6 _ TYP 1 _ 1. Staatliche Uhrenfabrik

 

Die „Kirowka“ wurde in fünf verschieden Uhren-Fabriken gebaut:

  1. Staatliche Uhrenfabrik (1930 bis 1945)
  2. Staatliche Uhrenfabrik (1936 bis 1941)
  3. Slatoust (1942 bis 1991)
  4. Tschistopol (1941 bis 1950)
  5. Uhrenfabrik „53“ (während des Krieges)

Alleine bis zum Beginn des Krieges, von 1930 bis 1941, sind fast 2,7 Millionen „Kirowkas“ hergestellt worden und als Basis-Modell diente sie für eine Vielzahl von Varianten schnell zu einer „Eierlegende-Woll-Milch-Sau“.

Anhand der folgenden Bilder werde ich einige der wichtigsten Varianten aufzeigen:

Der „Klassiker“ hat eine sogenannte „kleine Sekunde“ bei „6“. Die erste Variante (Bild 7) hat zusätzlich zur „kleinen Sekunde“ eine „Zentral-Sekunde“, die indirekt angetrieben wird – eine
„Indirekte Zentral-Sekunde“. Die Technik ist auf dem Werk deutlich zu erkennen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 7 TYP 1 mit indirekter Zentral-Sekunde Tschistopol
Abb. 7 _ TYP 1 mit indirekter Zentral-Sekunde _ Tschistopol

 

Die „Industrielle Kooperative Trust der militärischen Vereinigung >Genaue Zeit<“ (Bild 8) in Moskau hat schon frühzeitig auf der Basis der „1 ТИП“ eine Stopp-Uhr mit einem Drücker über die Aufzugs-Krone gebaut.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 8 TYP 1 Kronen-Stopper
Abb. 8 _ TYP 1 _ Kronen-Stopper

 

Bei einer besonderen Art einer Stopp-Uhr (Bild 9) haben die Ingenieure das klassische Werk so umgebaut, dass die „kleine Sekunde“ zur Zentral-Sekunde der Stopp-Uhr wird. Auf dem kleinen Zifferblatt werden die Minuten gezählt. Die Mechanik wird über ein Schaltrad gesteuert.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 9 TYP 1 Stopp-Uhr
Abb. 9 _ TYP 1 _ Stopp-Uhr

 

Der „Trust der lokalen Industrie des Distrikts Sokolniki“ (Bild 10) in Moskau hat schon in den 1930er Jahren eine Variante der Stopp-Uhr mit einem Drücker bei „11“ gebaut. Die Mechanik ist oben und unten auf dem Werk deutlich zu erkennen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 10 TYP 1 Stopper Sokolniki
Abb. 10 _ TYP 1 _ Stopper, Sokolniki

 

Der „Trust für Maschinenbau des Sokolniki-Bezirks“ hat auch eine andere Variante einer Stopp-Uhr mit einem Drücker bei „11“ gebaut (Bild 11). Sie unterscheidet sich in Details von ihrer „Schwester“.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 11 TYP 1 Chronograph
Abb. 11 _ TYP 1 _ Chronograph

 

TYP 17  (Bild 12)

Die „1 ТИП“ war von der Konstruktion eine Taschen-Uhr. In entsprechenden Gehäusen konnte sie jedoch auch als Armband-Uhr getragen werden. Als 1939/40 auch in der Sowjetunion der Bedarf an Armband-Uhren stieg, hat eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung der 1. Staatlichen Uhren-Fabrik auf der Basis der „1 ТИП“ ein erstes eigenständiges Werk für das Armgelenk – die „TYP 17“ – entwickelt und gebaut.
Die „TYP 17“ gab es mit 7 und mit 15 Steinen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 12 TYP 17
Abb. 12 _ TYP 17

 

TYP 2 / TYP 3  (Bild 13)

Dueber-Hampden hatte sein Kaliber „Model 5“ als 16 Size (43,18 mm) aber auch kleiner, u.a. als 12 Size (39,79 mm), als 3/0 Size (27,91 mm) und als 8/0 Size (23,71 mm) gebaut.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 13 Typ 2 Typ 3
Abb. 13 _ Typ 2 / Typ 3

 

Aus dem 12 Size wurde in Moskau die „TYP 2“, aus dem 3/0 Size die „TYP 3“ und aus dem 8/0 Size die „TYP 4“. Ohne Maßstab sind die Uhrwerke nicht zu unterscheiden.

Die kleinen Werke wurden nur aus Beständen aus Ohio zusammengebaut. Sie sind in Moskau nicht als eigenständige Uhrwerke gebaut worden. Darum gehe ich darauf nicht näher ein.

 

LIP

Im Jahr 1935 haben die Uhrenfabriken in Moskau mit Hilfe aus der Schweiz ihre Produktionsmittel modernisiert – mit der Folge, dass die Produktions-Zahlen erheblich gesteigert werden konnten. (Bild 14)

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 14 LIP-393 552220
Abb. 14 _ LIP-393 _552220

 

Ein Jahr später, 1936, leitete Frédéric Lipmann einen Generationswechsel in der Uhren-Industrie in der Sowjetunion ein. Es wurde ein Sprung vom technischen Mittelalter und die Neuzeit kleiner Armband-Uhren.
Frédéric Lipmann hat sich vertraglich dazu verpflichtet, die Zeichnungen der von LIP hergestellten Armband-Uhren mit dem Kaliber „T-18“ und „K-26“ sowie die Taschen-Uhr mit dem Kaliber „K-43“ mit den vollen technischen Berechnungen, dem erforderlichen know how, technischen Geräten und eine große Menge von fertigen Modulen der „T-18“ und der „K-43“ zu liefern.

 

„K-43“  (Bild 15)

Altmeppen russische Uhren - Abb. 15 ZIM 043064 165504 1-48
Abb. 15 _ ZIM_043064 _ 165504_1-48

 

In Samara am „Samara-Bogen“ der Wolga (von 1935 bis 1990: „Kuibyschew“) wurde in einer 1906 gegründeten Fabrik von 1938 bis zum Jahreswechsel 1952/53 insgesamt mehr als eine Million „K-43“ hergestellt.

 

„LIP T-18“  /  „ЗВЕЗДА

Das Kaliber „T-18“ (Bild 16) war ein „Bestseller“ von LIP aus Besancon.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 16 LIP 288 735
Abb. 16 _ LIP_288 735

 

Russische Uhrmacher haben das mit ihrer „ЗВЕЗДА“ deutlich getoppt:
Sie wurde von 1937 bis 1961 mehr als 10 Mio.-fach an fünf Standorten in Russland gebaut.
Angefangen hat es in Pensa, 1937 unter dem Firmennamen „ЗИФ“. Die Fabrik wurde am 5. Mai 1940 umbenannt in „3-ГЧЗ“ (Bild 17).

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 17 3-ГЧЗ ПЕИЗА 383 700
Abb. 17 _ 3-ГЧЗ ПЕИЗА _ 383 700

 

Weitere Standorte waren:

  • die „2. Staatliche Uhrenfabrik“ in Moskau,
  • die „Elektrische Uhren Leningrad“,
  • die Fabrik „Präzise Technische Steine“ (TTK-1) in Peterhof,
  • die „TTK-2“ / „Staatliche Uhrenfabrik Uglitsch.

Es gab die „ЗВЕЗДА“ in mehr als 20 verschiedenen Ausführungen und in drei „klassischen“ Gehäusen. (Bild 18)

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 18

 

Im Jahre 1947 entwickelten die Experten in Pensa eine besondere „ЗВЕЗДА“ mit einer indirekte Zentral-Sekunde (Bild 19) – statt der üblichen „kleine Sekunde“ bei „6“. Die Technik, die dahinter steckt, ist die gleiche, wie wir sie auch bei der „TYP 1“ finden.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 19 Swesda indirekte Zentral-Sekunde
Abb. 19 _ Swesda _ indirekte Zentral-Sekunde

 

ПОВЕДА“  /  „КИРОВКА

Die ПОВЕДА-Familie (Bild 20) ist so komplex und umfangreich, dass ich in meinem Buch 60 Seiten brauchte – nur um eine Skizze dieser Familie zu zeichnen. Es sind 53 namentlich benannte Uhren aus sieben Fabriken.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 20 Pobeda-Familie
Abb. 20 _ Pobeda-Familie

 

Aus Zeitgründen beschränke ich mich deswegen darauf, die Zifferblätter von neun dieser Uhren zu zeigen. (Bild 21)

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 21 verschiedene Pobeda
Abb. 21 _ verschiedene Pobeda

 

Der „Klassiker“ ist die „Pobeda mit der roten 12“. Wenn man den Quellen glauben darf, hat Stalin sie getragen.
Die „ШТУРМАНСКИ“ / „ПОВЕДА 31 ЧН“ hatte Juri Gagarin am 12. April 1961 am Arm.
Für russische Expeditionen zum Süd- und zum Nord-Pol hat die „1. Moskauer Uhren-Fabrik“ zwei 24-Stunden-Uhren herausgebracht. Die „АНТАРКТИДА“ und die „СЕВЕРНЫЙ ПОЛЮС“.

In der Familie gibt es zehn verschiede Uhrwerke. Vier davon stelle ich vor (Bild 22):

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 22 verschiedene Pobeda Werke
Abb. 22 _ verschiedene Pobeda _ Werke

 

Und an ebenfalls vier Beispielen zeige ich Ihnen Details (Bild 23):

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 23 verschiedene Pobeda Werk-Details
Abb. 23 _ verschiedene Pobeda _ Werk-Details

 

Uhren für Schiffe

In diesem Kapitel beschränke ich mich auf Marine-Chronometer und Decks-Uhren.

B-Uhr

In der Zarenzeit haben die Chronometermacher aus Pulkowo auch Taschen-Chronometer unter ihrem Namen verkauft. Die Roh-Werke kamen aus England.

Ein ganz besonderes Taschen-Chronometer alter Bauart ist das „Ericsson No 4“ (Bild 24) von 1879/80. Das Werk ist von Preston in Prescot.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 24 Ericsson No.4
Abb. 24 _ Ericsson No.4

 

Bereits Ende des 19ten Jahrhunderts hat eine Zusammenarbeit zwischen Ericsson und Ulysse Nardin (Bild 25) begonnen, die dauerhaft Bestand haben sollte.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 25 Ulysse-Nardin 27893
Abb. 25 _ Ulysse-Nardin_27893

 

Anfänglich wurden diese B-Uhren importiert. Doch schon im Sommer 1940 hat die „1- Staatliche Uhrenfabrik“ die ersten B-Uhren in Lizenz gebaut (Bild 26). Die „Elternschaft von Ulysse Nardin bei dieser „1 ГЧЗ – 2-40 – 510“ ist eindeutig.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 26 ЧП-510 2-40 u.a.
Abb. 26 _ ЧП-510_2-40, u.a.

 

Bis kurz vor der Wende in das 21te Jahrtausend hat die „1. Moskauer Uhrenfabrik“ diese B-Uhr mit einigen Variationen (Bild 27) weiter gebaut.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 27 ЧП-510 2-40 u.a.
Abb. 27 _ ЧП-510_2-40, u.a

 

6 MX

Die Geschichte der See-Chronometer geht in das 19te Jahrhundert zurück. Die bekanntesten Namen sind Friedrich Hauth, Bernhard und Victor Pihl, Johan Wirén (Bild 28) August und Alexander Ericsson.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 28 Wiren 59
Abb. 28 _ Wiren 59

 

Etwa 1.000 Chronometer, die Kullberg nach Russland geliefert hat, können den Chronometermachern in Pulkowo numerisch zugeordnet werden – davon 739 an Eriksson und 174 an Wirén.

1941 hat Ulysse Nardin (Bild 29) etwa 400 Marine-Chronometer an die Sowjetunion geliefert. Sie sind mit Signaturen aus Moskau in Dienst gestellt worden.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 29 NII 5 392
Abb. 29 _ NII 5, 392

 

Eine Massenproduktion von Marine-Chronometern erfolgte in der Sowjetunion erst nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“ – auf Basis des von „Wempe“ in Hamburg entwickelte „3-Pfeiler-Werkes“ – des „Deutschen Einheits-Chronometers“.
Angefangen hat es mit 600 Roh-Werken (Bild 30) aus Lauenstein bei Dresden und 297 Einheits-Chronometern, die als Reparation von A. Lange & Söhne nach Moskau geliefert wurden.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 31 Kirow 6 MX N-247
Abb. 30 _ Kirow 6 MX_N-479

 

Mit einigen Modifikationen durch das „НИИ  ЧАСПРОМ“ sind von 1952 bis Ende der 1990er Jahre verschiedene Varianten des „6 MX“ gebaut worden – insgesamt ca. 50.000 Stück (Bild 31). Darunter auch Chronometer mit Elektro-Kontakten und Chronometer mit einer Anker-Hemmung für den Einsatz in Flugzeugen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 31 Kirow 6 MX N-247 2
Abb. 31 _ Kirow 6 MX_N-247

 

Es gibt noch zwei besondere Chronometer, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Ich habe sie mitgebracht, damit Sie sich diese anschauen können.
Es sind das kleine „8-Tage Anker-Chronometer“ („2 МЗХ“) und das „Quarz-Chronometer“ („АКУ“). Beide Chronometer sind vom „НИИ  ЧАСПРОМ“ entwickelt worden.
Vom kleinen „8-Tage Anker-Chronometer“ hat die 1. Moskauer Uhrenfabrik in der ersten Hälfte 1960 Jahre nur etwa 100 Stück gebaut.
Das Quarz-Chronometer sollte auch von der 1. Moskauer Uhrenfabrik gebaut werden. In der schwierigen Zeit zu Anfang der 1990er Jahre bestand aber kein Bedarf mehr an Chronometern und deswegen gibt es nur diesen einen Prototypen.

 

Uhren für Flugzeuge

Russland ist erst nach dem Ersten Weltkrieg in den Bau von Flugzeugen eingestiegen. Und in den ersten etwa 10 Jahren gab es keinen Bedarf für die genaue Zeit in diesen Flugzeugen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 32 Jaeger 137598 Moskauer-Jaeger 18 ЧС - 301
Abb. 32 _ Jaeger _ 137598 _ Moskauer-Jaeger_„18 ЧС“ – 301

 

Die Geschichte der Uhren für russische Flugzeuge beginnt Anfang der 1930er Jahre. Bis 1935 hat Jaeger – Le Coultre die klassischen Flugzeug-Borduhren (Bild 32) an die Sowjetunion geliefert. Wie viele es waren, lässt sich anhand der Literatur nicht mehr feststellen – aber es müssen hunderte gewesen sein, die aus der Schweiz importiert wurden.

Nach der Umstrukturierung der 1. Staatlichen Uhrenfabrik im Jahre 1935 hat die Fabrik in Lizenz eigene Bord-Uhren gebaut (Bild 32). Der Aufbau des Basis-Kalibers unterscheidet sich nur geringfügig vor ihren Eltern aus der Schweiz.

Ein äußeres Erkennungszeichen für diese erste Generation ist die Skala für den Sekunden-Zeiger: er läuft links rum.

Nach der Evakuierung großer Teile der 1. Staatlichen Uhrenfabrik im Dezember 1941 wurden die Flugzeugborduhren in Slatoust mit geringen Modifikationen weitergebaut. Fünf Jahre später, 1946, erfolgte die Rückverlegung nach Moskau. Und bis in die erste Hälfte der 1960er Jahre wurden in der 1. Moskauer Uhrenfabrik vier verschiedene Typen mit gleichem Basis-Kaliber für Flugzeuge hergestellt.

Neben der „18 ЧС“ (Bild 32) stelle ich Ihnen zwei besondere Borduhren vor: die „56 ЧП“ und die „19 ЧС“ vor.

Die „56 ЧП“ (Bild 33) hat ein „normales“ Uhrwerk und Elektro-Kontakte. Damit können externe Funktionen an Bord eines Flugzeugs gesteuert werden.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 33 56 ЧП 74812 1-62
Abb. 33 _ 56 ЧП_74812_1-62

 

Die „19 ЧС“ (Bild 34) hat ein wasserdicht verschraubtes Gehäuse. Der Einsatzbereich dieser Uhr ist mir nicht bekannt.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 34 _ 19 ЧС
Abb. 34 _ 19 ЧС

 

Erst Ende der 1950er Jahre, als sich in der zivilen Luftfahrt der Sowjetunion die Strahlenflugzeuge durchsetzten und die „MIG 21“ zum Standard der Luftwaffe wurde, hat die Uhrenfabrik in Tscheljabinsk, im Südosten des Ural, mit sechs verschiedenen Typen eine neue Generation von Flugzeug-Borduhren entwickelt.

Aber diese Zeit ist nicht mehr mein heutiges Thema. Deswegen zeige ich Ihnen nur ein Exemplar dieser Zweiten Generation, die „АЧС-1M“ (Bild 35), um die wesentlichen Unterschiede zur ersten Generation und zu Jaeger – Le Coultre aufzuzeigen.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 35 АЧС-1M 90529 3-84
Abb. 35 _ АЧС-1M_90529_3-84

 

Weltraum-Uhr

Zum Schluss stelle ich Ihnen noch eine ganz besondere Uhr vor, die „АВР М“ (Bild 36).
Das Werk ist seit den späten 1940er Jahren in vielen zivilen und militärischen Uhren eingesetzt worden. Und die „АВР М“ war die erste Uhr im Weltraum.

 

Altmeppen russische Uhren - Abb. 36 Desik ДЕЗИК und Zygan ЦЫГАН АВР М
Abb. 36 _ „Desik“ (ДЕЗИК) und Zygan“ (ЦЫГАН) _ АВР М

 

Viele kennen den „Hunde-Kosmonauten“ „Laika“ (Sputnik II, 03.11.1975) sowie „Belka“ und „Strelka“ (Sputnik V, 20.08.1960).
Kaum einer kennt „Desik“ (ДЕЗИК) und Zygan“ (ЦЫГАН). Sie waren am 22. Juli 1951 die ersten Pioniere für die bemannten Weltraumflüge der Russen.
Es waren zwei von vielen herrenlosen Hunden, die von der Straße aufgelesen für die Flüge vorbereitet wurden.
Die beiden Hunde waren an Bord einer „R-1“, einem Nachbau der deutschen „A 4“. Von 1949 bis Mitte der 1050er Jahre wurde eine unter Leitung von Sergej Koroljow weiterentwickelte „R-1“ für wissenschaftliche Höhenflüge eingesetzt.

Die „R-1“ hat Desik und Zygan bis in eine Höhe von 110 km – also über die „Kármán-Linie“ hinaus – und damit in den Weltraum gebracht.
Die beiden Hunde sind wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt.

 

 

Johannes Altmeppen

 Die Anfänge der industriellen Uhrenproduktion in Russland

 Vortrag im „Russischen Haus“ am Freitag, 15. Januar 2021

 

Altmeppen russische Uhren - Vortrag im Russischen Haus 15012021 Bild 1

 

Im Januar 1991 war Johannes Altmeppen zum ersten Mal in Russland – im damaligen Leningrad. Seither hat er das Land mehr als 30 Mal besucht. In St. Petersburg und in Moskau hat er viele Wochen verbracht. Gewohnt hat er immer bei Freunden, die ihm Land und Leute nähergebracht haben, so auf mehrtägigen Fahrten auf der Wolga, dem „Golden Ring“ und in Ekatarinenburg. Er war mit dem Geländewagen in Murmansk und am Baikal-See.

Seine ersten russischen Uhren hat Altmeppen 1991 in Leningrad gekauft. Es wurde seine Leidenschaft und 30 Jahre später hatte er mehr als 2.000 Uhren und technische Geräte.
Altmeppen hat sich intensiv mit der Erforschung insbesondere der Anfänge der Russischen Uhren-Industrie beschäftigt und dazu eine Serie im „Uhren-Magazin“, Fachartikel und Bücher veröffentlicht und Fachvorträge gehalten – u.a. im Museum „Lichter Moskaus“ in Moskau und im Städtischen Uhren-Museum in Angarsk.

Bei seinem zweiten Besuch in Angarsk, im August 2019, hat Altmeppen dem dortigen Museum sein russisch/deutsches Uhrenbuch über die „LIP-Familie“ und 180 russische Uhren dieser „Familie“ aus seiner Sammlung geschenkt. Der Empfang in Angarsk war so überwältigend, dass Altmeppen beschlossen hat, dem Museum seine gesamte Sammlung zu schenken.

Der Transport ist gerade in CORONA-Zeiten nicht unproblematisch. Nur mit Hilfe des „Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur“ in Berlin und der Russischen Post in Berlin war das möglich. Danke dafür.

 

Altmeppen russische Uhren - Vortrag im Russischen Haus 15012021 Bild 2

 

Das Zarenreich hatte ein reiches Erbe russischer Uhrmacher. Und am 20. Dezember 1927 hat der „Sowjet für Arbeit und Verteidigung“ die Organisation einer industriellen Uhrenproduktion in der Sowjetunion beschlossen.

Die Anfänge waren geprägt von „Dueber Hampden“ und der Fabrik, die Andre Bodrow 1929 in Ohio gekauft hat. Daraus wurde die „1 ТИП“ – liebevoll „Kirowka“ genannt.

1937 hat Frederic Lipmann aus Besancon drei Uhren-Typen (R 43, T-18, K 26) mit allen Einrichtungen und technischen Unterlagen an die Sowjetunion verkauft.

Ende der 1940 wurde aus der R 43 die Taschen-Uhr „K 43“. Die T-18 wurde in den 1950er Jahren millionenfach zur „ЗВЕЗДА“. Und aus der K 26 wurde die „ПОБЕДА“-Familie – 53 namentlich benannte Uhren aus sieben Fabriken. Die „“ШТУРМАНСКИЕ“, die Juri Gagarin am 12. April 1961 am Arm trug, war aus dieser Familie.

Präzisions-Uhren wurden in der Zarenzeit tausendfach aus England bezogen und in Russland fertig gestellt. Bereits kurz vor der Revolution und bis zum Ende der Zweiten Weltkrieges hat „Ulysse Nardin“ Decks-Uhren ca. 400 Marine-Chronometer und an die Russen geliefert. Die B-Uhr vom Typ „ЧП“, der Nachbau eines Werkes von Ulysse Nardin, wurde bis in die 1990er Jahre in der 1. Moskauer Uhrenfabrik / Poljot gebaut.

Eine Massenproduktion von Marine-Chronometern erfolgte in der Sowjetunion erst nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“ – auf Basis des von „Wempe“ in Hamburg entwickelte „3-Pfeiler-Werkes“ – des „Deutschen Einheits-Chronometers“.
Angefangen hat es mit 600 Roh-Werken aus Lauenstein bei Dresden und 297 Einheits-Chronometern, die als Reparation von A. Lange & Söhne nach Moskau geliefert wurden.
Mit geringen Modifikationen wurde russische „6 MX“ bis in die 1990er Jahre ca. 50.000 Mal gebaut.

Bis Mitte der 1930er Jahre hat „Jaeger Le-Coultre“ Flugzeug-Borduhren an die Sowjetunion geliefert. Ab 1935 hat die 1. Staatliche Uhren-Fabrik, „1 ГЧЗ“, diese Uhren in Lizenz nahezu unverändert nachgebaut. Nach der Evakuierung großer Teile der 1. Staatlichen Uhrenfabrik im Dezember 1941 wurden die Flugzeugborduhren in Slatoust mit geringen Modifikationen weitergebaut. Fünf Jahre später, 1946, erfolgte die Rückverlegung nach Moskau. Und bis in die erste Hälfte der 1960er Jahre wurden in der 1. Moskauer Uhrenfabrik vier verschiedene Typen mit gleichem Basis-Kaliber für Flugzeuge hergestellt.

 

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner